DRK braucht ständig frisches Spenderblut!
Aber die Zahl der Spender ist bei der gemeinnützigen Einrichtung dramatisch zurückgegangen – nicht nur der demografische Wandel ist Grund für diese Entwicklung
Blut ist ein kostbares Gut, das im medizinischen Bereich unentbehrlich ist – nicht nur bei Operationen, sondern vor allem auch in der Krebstherapie. Der Bedarf an Blutkonserven und -präparaten ist weiter hoch, doch die Spendenbereitschaft bei den DRK-Terminen vor Ort sinkt.
Im Bereich der Städteregion Aachen und der Stadt Aachen ist sie sogar so gering, dass das Deutsche Rote Kreuz die Region massiv mit Blutspenden aus anderen Gebieten Deutschlands versorgen muss – also Krankenhäuser und niedergelassene Mediziner, die in ihren Fachgebieten Onkologie oder auch Chirurgie entsprechenden Bedarf haben. Wobei viele Krankenhäuser, insbesondere das Uniklinikum Aachen, selbst sehr aktiv sind, um an Blut von „Spendern“ zu kommen. „Spender“ trifft in solchen Fällen allerdings nur sehr eingeschränkt zu, da manches Haus 20 Euro und mehr pro Aderlass an den „Blutlieferanten“ zahlt. Für das DRK ist das prinzipiell kein Problem, obwohl der Vorgang des Blutspendens für die meisten Spender „beim DRK eine Herzensangelegenheit für andere Menschen in Notsituation“ sei, glaubt Ingo Kohnen, Präsident des DRKs in der Städteregion Aachen, und selbst schon 138-facher Spender.
Jeder der sich für mehr Blutreserven engagiert, sei angesichts der stets knappen Bestände willkommen, will Kohnen auch nicht mit Krankenhäusern brechen, die in diesem Bereich tätig sind. Nur die eine oder andere Methode sei schon mehr als fragwürdig, klagt der DRK-Verantwortliche. „Wir sind mit sehr großem Aufwand in der Breite unterwegs, holen das Blut förmlich bei den Spendern ab und kümmern uns mit unseren Ehrenamtlern intensiv um diese Spender“, betont Kohnen. Das fange bei der Aufnahme an, gehe weiter bei heutzutage „wirklich sehr guter Verpflegung bis hin zum kalten Buffet“. Dann gibt es noch Giveaways sowie Präsente für Spender, die neue Spender zum Termin mitbringen – oft Familienmitglieder. Schließlich muss das gespendete Blut ja auch noch ins Labor transportiert, dort untersucht und weiterverarbeitet werden, um es dann am Ende zu den Krankenhäusern zu bringen, fasst DRK-Pressereferent Georg Simon ein komplexes und kostspieliges Prozedere zusammen. In einem DRK-System, das laut Satzung gar nicht gewinnorientiert arbeiten darf! Für den DRK-Präsidenten der Städteregion Aachen ist es dann zumindest sehr fragwürdig, wenn andere Blutverwerter traditionelle DRK-Blutspendetermine förmlich übernehmen, statt selbst neue potentielle Kandidaten für die Abgabe eines halben Liters des so wertvollen Lebenssaftes zu gewinnen. Dabei ziehe gerade das Uniklinikum weite Kreise, spielt Kohnen auf einen großen „Vor-Ort-Einsatz“ im Jülicher Land an, der ihn wurmt. Einen Termin, der früher stets vom DRK bedient wurde. In Zeiten, in denen es immer schwieriger wird, Menschen für eine Blutspende (möglichst dauerhaft) zu begeistern, sei das „Übernehmen von Spendewilligen“ der falsche Weg, ärgert sich Kohnen. Wohl wissend, dass man diese Verwerter selbst seitens des DRKs mit Know How und Logistik unterstützt sowie bei Engpässen selbst immer wieder mit Blutpräparaten beliefert und somit letztlich am gleichen Strang zieht. „Wir vom DRK sind in Sachen Blutversorgung auch quasi die letzte Linie der Verteidigung, wenn es bei privaten Anbietern und in den sonst sich selbst mit Blut versorgenden Krankenhäusern eng geworden ist“, betont Thomas Herzfeld als Sprecher des DRK-Blutspendedienstes West mit Sitz in Ratingen und erinnert auch an einen Landesauftrag, den die Helfer vom DRK seit nunmehr 65 Jahren sehr ernst nehmen und weiter 365 Tage im Jahr ernst nehmen und dabei stets – sehr wichtig – „Nähe zu den Menschen schaffen“ wollen, so Herzfeld. Allein im Bereich Blutspendetermine kommen in den beiden DRK-Landesverbänden Nordrhein und Westfalen jährlich über 600.000 ehrenamtliche Stunden zusammen.
Reichlich Erfahrung, Logistik und viele hilfsbereite Ehrenamtler sind also vorhanden. Ohne ein gewisses Kontingent an Blut, das zu Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten und zu einem Teil zu Plasma aufbereitet wird, funktioniert das System jedoch nicht. Wobei die entstehenden Produkte dann auch noch sehr spezifisch behandelt bzw. gekühlt oder gewärmt zu lagern/transportieren sind.
Das ist aufwändig und selbst in Urlaubs- oder an langen Feiertagsstrecken, wie um Weihnachten herum, wegen der begrenzten Haltbarkeit der Präparate auf ständigen Nachschub angelegt. Einen Vorrat im klassischen Sinne kann der Blutspendedienst also gar nicht anlegen. Deshalb startet das DRK immer wieder neue Kampagnen, um gesunde Menschen von 18 bis 68 (nur bei Erstspendern, sonst auch älter) Jahre für die Blutspende zu sensibilisieren.
Wertschätzung
So hat sich nicht nur die Verpflegung als erste große wahrnehmbare Wertschätzung des Blutspenders enorm verbessert, sondern auch die Art der Giveaways – zurzeit sind es unter anderem stylisch aufbereitete Ersatzakkus für Smartphones und Co. Auch die „Ansprache“ ist je nach Jahreszeit oder ausgeguckter Zielgruppe unterschiedlich. Im Sommer wird traditionell auf den tatsächlich dann immer gegebenen Blutmangel wegen der ganzen verreisten Urlauber bzw. Spender hingewiesen oder ein hochmoderner DRK-Blutspende-Truck auch mal sehr öffentlichkeitswirksam bei einem Sportevent oder an einem großen Einkaufszentrum geparkt: Angst haben, dort oder bei anderen örtlichen DRK-Terminen Blut zu spenden, muss niemand haben. „Außer davor, dies danach vielleicht immer wieder mal tun zu wollen“, schmunzelt Georg Simon. Denn der kurze medizinische Vorgang sei gesundheitlich völlig unbedenklich und nur mit geringem Zeitaufwand verbunden. Bewährt habe sich bei den Blutspendeterminen zudem die Kooperation mit der ebenfalls gemeinnützigen DKMS, die im Kampf gegen Blutkrebs nach geeigneten Knochenmarkspendern sucht. Zurück zum Blutspenden: Männer können das bis zu sechsmal im Jahr machen, Frauen sollten pro Jahr hingegen höchstens viermal Blut spenden. „Frauen sind in jüngeren Jahren häufiger bei den Spendeterminen anzutreffen, später überwiegt der Männeranteil“, weiß Simon. Meist sind die Spender Mitte 40 und älter, sehen die DRKler durchaus auch ein demografisches Problem, das bei künftigen Kampagnen auf unterschiedlichsten medialen Kanälen eine Rolle spielt. Die jüngeren Kandidaten hat das DRK keineswegs aufgegeben. „Die müssen wir nur noch intensiver vor Ort abholen“, so das DRK-Ziel. Dabei gelte es auch in allen Altersklassen generelle Vorbehalte und Vorurteile abzubauen. Eine Lizenz zum Gelddrucken sei das DRK-Blutspende-System jedenfalls nicht, wie in manchen Netzforen oder Medien kolportiert werde.
Und wenn mal ein Euro übrig bleiben sollte, fließe er in die DRK-Arbeit vor Ort zurück oder werde investiert, um den vielfach hilfreichen Verband mit all seinen Organen zu stärken.
Von so einem gelegentlichen Überschuss könnte am Ende vielleicht jeder in Deutschland etwas haben – nicht nur in Folge eines Unfalls. Beim DRK ist eben das Solidaritätsprinzip Trumpf, und es wird gepflegt. Oft genug sei die sehr empfindliche und nur sehr schwer zu bevorratende Ware Blutkonserve in unserer Region so knapp, dass das DRK in Nordrhein-Westfalen auf Reserven aus Niedersachsen oder vom Bayerischen Roten Kreuz zurückgreifen muss. Auch diesbezüglich funktioniere das Solidaritätsprinzip. Gut für uns, weil das Spendenaufkommen beim DRK rings um Aachen im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland sehr gering ist, wags zum großen Teil am „mitzapfenden“ Uniklinikum läge. Von den mutmaßlich 13.000 in diesem Jahr benötigten Konserven werden nach aktuellen Schätzungen der DRK-Experten nur rund 7500 bis im günstigsten Fall 8000 Einheiten hier vor Ort gespendet, was weitere „Blut-Importe“ nach sich ziehen wird. In den Nachbargebieten sieht es bis auf sehr ländliche Bereiche, wo traditionell noch verhältnismäßig mehr Blut gespendet werde, auch nicht besser aus. Zwar verbesserten sich in einzelnen Bereichen auch die Medizin- bzw. Operationsverfahren und teilweise geringerem Blutkonserven-Bedarf – in anderen Therapiezweigen steige dieser allerdings auch tendenziell, so das DRK. Und deshalb sei nach wie vor die Solidarität aller gefragt, um im Ernstfall immer entsprechend gewappnet zu sein, so der finale Appell. In diesem Punkt seien andere Nationen weiter, nennt Thomas Herzfeld explizit die Niederlande, „wo die Menschen generell mehr für einander einstehen und finanzielle Aspekte für die Blutspender keine Rolle spielen.“ Auch unter den Migranten in Deutschland, die in ihren Ursprungsländern vielleicht schon die eine oder andere lebensbedrohliche Situation mitbekommen haben, sei die Blutspendebereitschaft relativ hoch, haben die Blutspende-Teams vor Ort jüngst festgestellt.
Infos zur Blutspende und Termine auf www.blutspendedienst-west.de oder über die Gratis-Hotline 0800 11 949 11.
Quelle: Super Sonntag, Ausgabe vom 28.08.2017